100 steht für die Temperatur des Kochens, 200 für die Temperatur des Ofens. 100/200 aber ist mehr als sechs Zahlen. Es ist ein Restaurant, das im kulinarisch eher konservativen Hamburg Grenzen neu auslotet.
Denn wer im Guide-Michelin besternten Restaurant 100/200 Gast sein möchte, muss sich an dem Rand der Stadt an einen Ort begeben, den selbst Taxi-Fahrer oft nicht kennen. Hat man das wenig einladende Gebäude erreicht, klingelt man und fährt mit dem Aufzug in den dritten Stock. Was einen dann erwartet, ist ein großer Raum, in dessen Mitte ein riesiger Molteni-Herd steht.
Das Ambiente greift den Industriecharme auf, kontert ihn jedoch mit feinem Handwerk.
Sophie, zusammen mit Thomas Imbusch betreibst Du ein für Hamburg durchaus außergewöhnliches Restaurant. Wie würdest Du das Konzept umschreiben?
Uns war bei dem Konzept für das 100/200 wichtig, dass man hier im wahrsten Sinne des Wortes einfach genießen kann, also mit Freude, aber nicht zwingend mit einem geschulten Gaumen.
Für uns heißt das, dass wir ganz klassisches Handwerk betreiben und eine Regionalküche mit tagesaktuellen Produkten kochen. Das Regionale und auch das, was man from nose to tail nennt, war uns persönlich dabei sehr wichtig. Wir hängen das gar nicht so an die große Glocke, aber wer bei uns in den Abfalleimer schaut, findet dort kaum etwas. Was wir einkaufen, verwerten wir, und da wir immer genau wissen, wie viele Gäste kommen, können wir das auch ziemlich punktgenau kochen.
Ihr bietet entsprechend den Jahreszeiten pro Jahr vier Themenbereiche an. Ist das nicht auf Dauer ein wenig langweilig für Dich als Sommelière?
Eher im Gegenteil. Diese Themen sind ja nur eine Klammer. Jetzt, im beginnenden Frühling beispielsweise geht es um Wasser & Salz und um das, was man in Flüssen, Seen und im Meer findet. Das Kreative dabei ist, dass Thomas in der Küche jeweils morgens entscheidet, was sich mit den gegebenen Zutaten im Menü am Abend verändert. Das ist sehr spannend und fordert mich dann auch als Sommelière und Gastgeberin. Es soll ja ein Wechselspiel zwischen Küche und Getränken sein. Und wenn das langweilig wäre, hätten wir das nicht gemacht.
Was hat Dich besonders gereizt, an diesem Projekt beteiligt zu sein?
Eigentlich genau dieses Konzept. Als mich ein Freund 2017 Thomas Imbusch vorstellte, hatte ich schon meine Wohnung aufgelöst und wollte nach Frankreich ziehen. Thomas hat mich dann überzeugt, zu bleiben; denn er hatte große Teile dieses Konzeptes schon im Kopf und war kurz vor dem Absprung aus Tim Mälzers Off-Club.
Und dann war es auch eine große Herausforderung, das Restaurant von Grund auf eigenverantwortlich mit ihm zu führen. Das hatte ich vorher noch nicht getan. Das war Neuland, und das hat großen Spaß gemacht. Dass das zwischen Thomas und mir funktionieren würde, hat sich dann noch in der Schlussphase des Off-Clubs herausgestellt, auch wenn er es mir nicht leicht gemacht hat. Aber es war gut, es hat geholfen, herauszufinden, ob es wirklich passt.
Welche Rolle hat der Wein im Konzept eingenommen?
Es war von Beginn an klar, dass die Karte auch das Selbstverständnis der Küche widerspiegeln sollte. Ich kaufe nichts ein, was es en masse gibt. Und ich kaufe auch nichts ein, was sich vor allem durch große Namen trägt. Es geht vielmehr darum, Entdeckungen zu machen.
Dabei spielen dann auch Weine eine Rolle, denen Thomas zunächst ablehnend gegenüberstand, diesen sogenannten Naturweinen. Ich habe ihn dann aber schnell überzeugen können, dass Naturwein ein weites Feld ist und es fantastische Weine dort zu entdecken gibt. Die bringe ich auch den Gästen nahe, ohne allerdings den Begriff überzustrapazieren. Das ist so wie bei der Regionalität oder bei nose to tail. Man muss nicht immer alles im Vorfeld wissen, man kann sich auch erst einmal darauf einlassen.
Ist das nicht schwierig in Hamburg? Die Stadt gilt ja als Hochburg des Grauburgunder-Konsums…
Ja, wir brauchen hier auch einfache, zugängliche Weine. Die sollten aber gut gemacht sein. Wir brauchen etwas, was Konsens stiftet; denn wir haben viele junge Leute und gleichzeitig auch die klassischen Hamburger Pfeffersäcke und viele dazwischen. Es gibt also eine breit gefächerte Klientel.
Konsens also, aber gleichzeitig etwas, was auch überrascht. Es fehlt ja oft Klarheit darüber: Was schmeckt mir? Also was schmeckt mir wirklich? Und da sind die Gäste hier überdurchschnittlich offen, etwas Neues zu erkunden. Immerhin haben sie ja schon vorher so viele Hemmschwellen überwunden, vom Ticketsystem über den abgelegenen Ort, das unbekannte Menü … Da lassen sie sich dann auch bei der Getränkebegleitung auf eine unbekannte Reise ein. Dafür entscheiden sich pro Abend mindestens 60 % der Gäste. Es gibt auch Abende, da sind es 100 %. Wer das nicht möchte, sucht sich etwas von der Karte aus. Alles, was wir an Flaschenweinen anbieten, können die Gäste auch glasweise probieren.
Du hast Dich im 100/200 für das JOSEPHINE-Glas entscheiden. Welche Rolle spielt das Glas bei Dir?
Eine große; denn es gibt in diesem Restaurant einen großen Gegensatz zwischen dem Raum mit dem Herd und den Tischen einerseits, wo alles ziemlich massiv ist, und andererseits all dem, was auf den Tischen zu finden ist; denn das ist fein, fast fragil. Und das ist mir wichtig. Das Silberbesteck Robbe & Berking ist fein, das Porzellan von Hering Berlin auch und ebenso die JOSEPHINE-Gläser. All das hat etwas ganz Entscheidendes als Vermittler. Der feine Löffel, wie trifft er auf die Zunge?
Was ich bei dem JOSEPHINE-Glas so sehr mag, ist die Leichtigkeit. Wie es auf den Mund trifft, ist einfach herausragend.
Was damit einhergeht, ist das Mehr an Achtsamkeit, die ist dem Glas ja sozusagen immanent. Entsprechend wird sie auch dem Wein zuteil und genau das liebe ich daran. Dabei ist das Glas absolut stabil. Wir hatten bisher erst ein einziges Bruchglas. Das war bei keinem anderen dünnwandigen Glas mit dem ich gearbeitet habe bisher so.
Das Einzige, was zunächst völlig ungewohnt war, ist die Optik. Die ist mit diesem Ring, mit diesem Knick eben ungewöhnlich. Aber daran gewöhnt man sich, weil sie zu der ganz großen Stärke dieses Glases gehört.
Was ist die Stärke dieses Glases?
Der Wein präsentiert sich einfach herausragend. Der Wein zeigt alles, was er hat, aber er wird nicht schroff; denn das Glas splittert die Aromen nicht auf. Das Gegenteil ist der Fall.
Der Wein zeigt sich transparent, und doch verbindet das Glas die Aromen sehr harmonisch. Am beeindruckendsten empfinde ich das beim Schaumwein-Glas. Die Schaumweine bekommen eine Komplexität, die ich von keinem anderen mir bekannten Glas kenne.