Das charmante Waldhotel Sonnora ist von sanften Hügeln und einem liebevoll gestalteten Park umgeben. Das weiße Haus im rheinland-pfälzischen Dorf Dreis strahlt eine beruhigende Gelassenheit aus. “Ankommen” bedeutet hier “entspannen und sich wohlfühlen.” Wir werden freundlich empfangen und nehmen in der Lounge Platz – gewissermaßen die Vorhalle zum 3-Sterne-Himmel, das Tor zum kulinarischen Glück. Denn das Waldhotel Sonnora gehört einem der besten Köche der Welt: Clemens Rambichler. Der Guide Michelin beschreibt ihn und seine Frau Magdalena als ein “vorbildliches Gastgeberpaar”, und wir können dem nur zustimmen. Wir treffen Magdalena Rambichler und ihre beiden Sommeliers Sebastian Boucher und Oliver Adler, um über die Liebe zur Gastronomie, die Leidenschaft für die richtigen Gläser und das perfekte Frühstück zu sprechen.


Prolog
„Es gibt Orte und Menschen, die einen sofort in ihren Bann ziehen. Das Waldhotel Sonnora und die Familie Rambichler gehören dazu“, sagt der Glasdesigner Kurt Josef Zalto von Josephinenhütte nach seinem Besuch in Dreis. Er ist eigens für das Interview angereist und steigt danach direkt wieder ins Auto, um sich in Richtung des österreichischen Waldviertels auf den Weg zu machen. Ein zufriedenes Lächeln liegt auf seinen Lippen. “Große Persönlichkeiten zu treffen, macht meine Arbeit so besonders. Ich sehe das Funkeln in den Augen der Menschen, die täglich unsere Gläser benutzen, und spüre ihre Begeisterung. Das macht mich unglaublich stolz.”
Wie alles begann
Magdalena Rambichler begann drei Jahre vor ihrem Mann im Waldhotel Sonnora zu arbeiten. „Ich hatte damals ein großartiges Verhältnis zum damaligen Besitzer, Helmut Thieltges. Ich sah Clemens' Bewerbung auf seinem Schreibtisch und er gefiel mir“, sagt sie mit einem schelmischen Lächeln. „Damals habe ich scherzhaft zu Helmut Thieltges gesagt: ‘Egal, ob er kochen kann oder nicht, bitte stell ihn ein.’ Und was soll ich sagen: Mein Bauchgefühl war richtig. Heute sind wir glücklich verheiratet!“ Die Frau weiß, was sie will – das merkt man sofort. Während Clemens Rambichler sich voll und ganz um die Küche kümmert, ist sie für alles andere im Haus verantwortlich. „Als Gastgeberin bin ich das ‘Mädchen für alles’ und helfe, wo es gerade nötig ist. Übrigens ist unser derzeit wichtigster Kunde dreieinhalb Jahre alt. Eltern zu sein, darf man definitiv nicht vernachlässigen.”


Große Fußstapfen zu füllen
Helmut Thieltges verstarb 2017 im Alter von nur 61 Jahren. Die Gourmetwelt war erschüttert, und sein engstes Umfeld trauerte tief. Für seine Frau Ulrike war jedoch von Anfang an klar, dass eine Fortführung in seinem Sinne gewesen wäre. Magdalena und Clemens Rambichler erfüllten diesen Wunsch genau. Sie machten weiter. Natürlich waren zu Beginn einige betriebliche Anpassungen notwendig, um die Arbeitslast ohne Helmut Thieltges zu bewältigen. “Zunächst haben wir nur Menüs angeboten und das à la carte-Geschäft reduziert. Außerdem haben wir weniger Gäste angenommen. Das war eine sehr intensive Zeit für uns alle. Unsere Stammgäste haben uns jedoch voll unterstützt,” erinnert sich Magdalena Rambichler. “Und Clemens wusste genau, was er tat und was er konnte. Er arbeitete insgesamt sieben Jahre intensiv mit Helmut Thieltges zusammen. Sie hätten Vater und Sohn sein können, denn sie waren sich sehr ähnlich. Eine großartige Symbiose!”
Das Küchenteam war so gut eingespielt, dass es selbst in den Monaten nach dem Tod von Helmut Thieltges absolute Spitzenleistungen erbringen konnte. Auch die Restauranttester wurden davon überzeugt. Im Herbst 2017 reisten die Rambichlers zur Michelin-Sterne-Verleihung. “Wir hatten keine Ahnung, was uns erwarten würde,” erinnert sich Magdalena Rambichler. “Es war eine riesige Freude, die drei Sterne halten zu können.” Clemens Rambichler gehört damit zu den wenigen Köchen, die direkt in ihrer ersten Position als Küchenchef mit drei Sternen ausgezeichnet wurden. Was für eine Leistung!
“Die Zeit” bezeichnet Clemens Rambichler daher als eine “Ausnahmefigur der deutschen Gourmetgeschichte”. Der “Stern” hingegen titelt: “Sternekoch Clemens Rambichler will keiner sein.” Das sagt viel über ihn aus. Der Starkult ist ihm fremd. Er konzentriert sich voll und ganz auf sein Restaurant und seine Familie. Auch die nächste Generation der Familie Rambichler wird bereits mit der Liebe zur Gastronomie und gutem Essen großgezogen. “Unsere Tochter ist schon eine kleine Gourmetliebhaberin. Sie liebt Kaviar, Muscheln und hilft uns in der Pâtisserie. Und wenn sie groß ist, möchte sie Kellnerin werden,” sagt Magdalena Rambichler.
Tokio, New York, Dreis
Das Restaurant im Waldhotel Sonnora hat das 1.500-Einwohner-Dorf auf die Weltkarte der Feinschmecker gesetzt. Die ländliche Umgebung passt perfekt zum zurückhaltenden Erscheinungsbild des Hauses. Es ist angenehm unspektakulär. Die Rambichlers stellen ihre Produkte, ihre Mitarbeiter und ihre Gäste in den Mittelpunkt und treten bewusst in den Hintergrund. Hier zählt Realität mehr als Schein.


Nichtsdestotrotz ist die Erfahrung in einem derart hoch dekorierten Haus ein wichtiger Meilenstein im Lebenslauf jedes Mitarbeiters. Oliver Adler schaffte es im zweiten Anlauf ins Team. “Ich dachte mir: Versuch es einfach. Wage den Sprung ins Ungewisse. Ich wollte meine Grenzen ausloten,” sagt der Sommelier. “Beim ersten Vorstellungsgespräch fehlte mir noch etwas Erfahrung. Umso glücklicher bin ich, dass es beim zweiten Mal geklappt hat. Damals stand ich kurz davor, in die Wirtschaft zu wechseln, als mich Frau Rambichler anrief. Seitdem bin ich hier!”
Auch für Sommelier Sebastian Boucher war der Sprung in die 3-Sterne-Welt eine echte Herausforderung. “Als ich mich bewarb, war ich mir nicht sicher, ob ich es vom Wissen her schaffen würde, und ich bin froh, dass ich es gewagt habe,” sagt er. “Bis heute habe ich diesen Schritt nicht bereut!”
Magdalena Rambichler trifft ihre Personalentscheidungen sehr bewusst, doch neben den fachlichen Fähigkeiten spielt auch ihr Bauchgefühl eine große Rolle. Das Team ist relativ klein, und ein makelloser Lebenslauf bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Person für Sonnora geeignet ist. Besonders bei Sommeliers fällt ihr die Auswahl vielleicht noch ein wenig schwerer. “Gerade weil ich selbst Sommelier bin. Es muss einfach persönlich passen,” bemerkt sie.
Die Sonnora Experience
Wann immer über Sonnora geschrieben wird, geht es um traditionelles kulinarisches Handwerk: Gerichte, die geradlinig zubereitet werden, mit präzise herausgearbeiteten Aromen und feinster Balance.
“Das stimmt,” sagt Oliver Adler. “Wir bieten hier eine spannende Wohlfühlküche. Wir möchten unseren Gästen ein ‘Paradies’-Erlebnis bieten. Hier haben wir die besten Produkte der Welt und reichlich davon. Wir bringen die klassische französische Küche in die Gegenwart. Wunderbar leicht mit einem facettenreichen Spiel aus Süße und Säure.”
Wie bei unserem Erlebnis werden die Gäste zunächst herzlich empfangen. In der Lounge gibt es einen entspannten Aperitif – vielleicht Champagner, Sherry oder einen Cocktail. Dann erhalten die Gäste die Speisekarte und können zwischen à la carte oder einem Menü wählen. Parallel dazu wird die Weinauswahl getroffen.
“Wir starten klassisch mit einer Auswahl an ‘Grüßen aus der Küche’,” sagt Sebastian Boucher. “Dann fahren wir mit einem üppig bestückten Brotwagen vorbei. Schließlich werden die einzelnen Gänge serviert. Am Ende bieten wir eine wunderbare Auswahl an Käsesorten vom klassischen Käsewagen. Und dazu gibt es einige süße Leckereien zum Kaffee sowie einen Digestif.”
Ein wichtiger Bestandteil eines Sonnora-Menüs ist die passende Weinauswahl. Der Guide Michelin lobt die Weinbegleitungen ausdrücklich. “Die Grand-Cru-Weinbegleitung ist das Nonplusultra. Hier bieten wir Spitzenweine mit Jahrgangstiefe an. Wir schenken die Weine mit dem Coravin aus und sind großzügig bei der Menge,” sagt Oliver Adler. “Wenn ein Gast nach einem Wein fragt, gibt es gerne noch einen zusätzlichen Schluck, selbst bei Raritäten. Das ist uns wichtig!”
“Durch unsere Nähe zur Mosel, Frankreich und Luxemburg liegt hier unser Schwerpunkt,” ergänzt Sebastian Boucher. “Bei uns kann man auch große Weine und Raritäten glasweise bestellen. Das wird sehr gerne angenommen.”
„Das Weinerlebnis aus den Gläsern war erstaunlich. Ich musste sie unbedingt für das Restaurant haben.“
Magdalena Rambichler
Gerade in einem 3-Sterne-Restaurant geht es um einen makellosen Gesamteindruck. Dazu gehört alles, vom Blumenarrangement über die Tischdekoration bis zum Geschirr und zu den Gläsern. „Wir möchten im Sonnora Wein im angemessenen Rahmen präsentieren. Dafür benötigen wir ein Glas, das dem Anlass gerecht wird. Wir haben hier immer mit einem namhaften, großen Glashersteller gearbeitet und waren zufrieden“, sagt Magdalena Rambichler. „In einer Verkostung mit Ausnahmewinzer Markus Molitor bin ich vor einigen Jahren auf die Gläser von Josephinenhütte gestoßen. Das Weinerlebnis aus den Gläsern war erstaunlich. Ich musste sie unbedingt für das Restaurant haben. Zunächst sind wir zweigleisig gefahren. Für besonders hochwertige Weine haben wir Josephinenhütte eingesetzt, für die anderen Weine gab es das Standardglas. Schnell war klar, dass die anderen Gläser einfach keine Chance haben gegen die Josephine. Deshalb haben wir komplett umgestellt.“
Im Sonnora sorgen die Gläser von Kurt Josef Zalto oft für Gesprächsstoff, weil sie so auffällig sind. „Fragen, die uns häufig gestellt werden, sind: Woher kommen die Gläser? Was hat es mit dem Knick auf sich? Kann man die auch kaufen? Reichen die vier Gläser für alle Weintypen aus? Die Optik polarisiert und wird an den Tischen oftmals intensiv diskutiert“, berichtet Oliver Adler. „Mir gefällt das Reduzierte mit vier Gläsern. Das passt auch in unser reduziertes Ambiente. Die Josephine sorgt immer wieder für spannenden Gesprächsstoff“, bestätigt auch Sebastian Boucher. „Das kann ich mir vorstellen. Unsere Gläser haben bereits dem ein oder anderen lahmenden Gespräch auf die Sprünge geholfen“, bekräftigt Kurt Josef Zalto schmunzelnd.
“Ich mag den reduzierten Look mit vier Gläsern. Er passt auch zu unserem reduzierten Ambiente. Die Josephine sorgt immer für spannende Gespräche.”
Sebastian Boucher
„Die Josephine ist wunderschön leicht. Das fällt den Gästen immer zuerst auf. Das Wichtigste für uns und unsere Gäste ist: Geschmacklich liefert die Josephine ab. Es ist toll zu hören, wenn Gäste sagen, dass sie Weine, die sie bereits kennen, in den Gläsern ganz neu erleben“, sagt Magdalena Rambichler. „Was mich total erstaunt hat: Wir haben deutlich weniger Bruch als vorher, obwohl die Gläser so filigran sind. Das hatte ich so nicht erwartet.“
„Es ist toll zu hören, wenn Gäste sagen, dass sie Weine, die sie bereits kennen, in den Gläsern ganz neu erleben.“
Magdalena Rambichler
Das hört Kurt Josef Zalto nicht zum ersten Mal. „Mundgeblasene Gläser sind deutlich elastischer als Maschinengläser. Wir nutzen auch nur ausgewählte Materialien für das Glas. Hinzu kommt, dass sich Mitarbeitende dessen bewusst sind, dass es sich bei dem Glas um ein kostbares Gut handelt. Es wird respektvoller und vorsichtiger behandelt.“
Der nächste Morgen
Die meisten auswärtigen Gäste übernachten im Waldhotel Sonnora. Nach einem unvergesslichen Abendessen ziehen sie sich in eines der 15 liebevoll eingerichteten Zimmer des Hotels zurück. Am nächsten Morgen erwartet sie das Küchenteam von Clemens Rambichler zum Frühstück – eine Mahlzeit, die der Spitzenkoch keineswegs vernachlässigt. Rührei ist hier Chefsache!
Was bleibt, ist das Gefühl, eine außergewöhnliche Gastgeberfamilie getroffen zu haben, die in der idyllischen Ruhe von Dreis alles richtig macht. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen!